Die Gedenk- und Bildungsstätte in der ehemaligen Stasi-U-Haft Andreasstraße

   Als am Morgen des 4. Dezember 1989 in Erfurt die Besetzung der Bezirksverwaltung des kurz vorher vom „Ministerium für Staatssicherheit“ – kurz Stasi genannt - umbenannten „Amtes für Nationale Sicherheit“ begann, ahnte noch niemand, dass hier einmal eine der profiliertesten Gedenk- und Bildungsstätten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur in der DDR entstehen würde. Als die Akten gesichert, die Mitarbeitenden entlassen und das MfS/AfNS aufgelöst war, entschieden sich – anders als in Leipzig und anderen Städten - die inzwischen frei gewählten Verantwortlichen mit dem Bürgerkomitee, die Gebäude wichtigen zivilen Nutzungen zuzuführen: Den technisch ausgestatteten Neubau erhielt die Post, das Haupt­gebäude die Landespolizeiverwaltung und die Untersuchungshaft kam wieder vollständig zur Justiz im Gerichtsgebäude nebenan.

   So blieb es, bis 2002 die U-Haft aufgeben wurde und Abrisspläne bekannt wurden. Die aus Mitgliedern des Bürgerkomitees gegründete „Gesellschaft für Zeitgeschichte“ machte sich jetzt für die Errichtung eines Gedenkortes stark und fand in der Landesbeauftragten für die Unterlagen des MfS eine Mitstreiterin. Mit dem vom Künstler Manfred May kuratierten Kunstprojekt „EINSCHLUSS“ im Sommer 2005 öffneten sich erstmals die Türen des „Knastes“ für die Öffentlichkeit. Neben vielen anderen kamen auch Menschen, die hier Wochen und Monate politischer Haft verbringen mussten, bald beteiligten sich einige an Aufsicht und Führungen durch die Räume. Es ist für sie eine zweite Befreiung gewesen, nun Herren in dem Haus zu sein.
   Nach zwei weiteren Kunstprojekten 2006 und 2007 begannen wir mit der Erarbeitung eines Konzeptes mit dem inhaltlichen Dreiklang von „Gedenken, Erinnern und Lernen“. Wir wollten eine breit aufgestellte Trägerschaft unter Beteiligung von Akteur*innen der Friedlichen Revolution wie uns, Wissenschafler*innen und Opfern der Haft. Aber es kam zu unterschiedlichen Auffassungen über die inhaltliche Ausrichtung: Der inzwischen aus ehemaligen Inhaftierten gegründete Verein „Freiheit e.V. legte ein Alternativkonzept vor, das sich auf eine Haftgedenkstätte unter ihrer Trägerschaft reduzierte.
   Es brauchte einen langen Weg, bis sich im Frühjahr 2010 die beiden Vereine mit der inzwischen auch beteiligten „Vereinigung der Opfer des Stalinismus“ zu konstruktiver Zusammenarbeit fanden. Schließlich konnte am 4.12.2012 unter der Trägerschaft der Stiftung Ettersberg, beraten von einem wissenschaftlichen und einem Beirat für Aufarbeitung der sanierte und um Eingangsbereich und Veranstaltungskubus erweiterte Westflügel als „Gedenk und Bildungsstätte“ eröffnet werden, ein Jahr danach die Dauerausstellung mit originaler Haftetage, den Ausstellungen zu Diktatur in der DDR und Friedlicher Revolution.

   Inzwischen ist die "Andreasstraße" ein viel besuchter und weit anerkannte Gedenk- und Bildungsstätte geworden, die inzwischen schon mehrere Auszeichnungern erhielt. Uns und allen Beteiligten ist damit ein Ort gelungen, der nicht nur der Opfer gedenkt und die Repression der SED-Diktatur deutlich macht, sondern zugleich die Überwindung dieser würdigt und sich der Bildungsarbeit für Demokratie und Zivilcourage widmet, in dem Akteur*innen der Friedlichen Revolution, Opfer von Repression und Haft, Wissenschaft und Museumspädagogik engagiert zusammenarbeiten.
Es ist für uns als aktiv an Opposition und Widerstand und der Friedlichen Revolution Beteiligte wie ein Vermächtnis der Freiheit und der Verantwortung für die Gesellschaft, das wir gern den Jüngeren und den im anderen Teil Deutschlands aufgewachsenen übergeben. Denn auf diesen Teil der deutschen Geschichte können wir gemeinsam stolz sein.

Der Eingang durch die geöffnete Gefängnismauer.
(Foto: Matthias Sengewald)

Die beiden Tafeln am Eingang in Erinnerung an die hier Inhaftierten und an die Besetzung der "Stasi" am 4.12.1989
(Foto am 17. Juni 2020: Matthias Sengewald)

Führung im Haus (Foto: Stiftung Ettersberg)