Der 13. Februar 1982 in Dresden und die Gruppe Wolfspelz

Jahre vor dem Wiederaufbau: Die Ruine der Frauenkirche in Dresden zu Beginn der 1980er Jahre. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft

Die Oppositionsgruppe Wolfspelz um die Dresdnerin Johanna Ebischbach (später Johanna Kalex) gehört zweifellos zu den ungewöhnlichsten Friedensgruppen, die Anfang der 1980er Jahre in der DDR entstehen.


Johanna Ebischbach, die Tochter eines Lehrers und Fachberaters, beginnt 1981 mit 17 Jahren ein pädagogisches Fachschulstudium. Schon in dieser Zeit hat sie erste Kontakte zur Jungen Gemeinde (JG) der Dreikönigskirche. Dort erhält sie Materialien über die Idee eines Sozialen Friedensdienstes (SoFD). Dieser soll als Wehrersatzdienst eingerichtet werden, fordert die Friedensbewegung in der DDR.

Schafe im Wolfspelz oder Wölfe im Schafspelz?

Als Johanna Ebischbach die an den Bildungseinrichtungen der DDR obligatorische Vormilitärische Ausbildung verweigert, wird sie exmatrikuliert. Sie beginnt an der medizinischen Fachschule für Pflegekräfte eine Ausbildung zur Krankenschwester. Die junge, aufmüpfige Johanna verteilt an der Schule häufig Material der unabhängigen DDR-Friedensbewegung und verweigert auch hier die vormilitärische Ausbildung. Und nicht nur das. Es gelingt ihr, fast alle Mitschülerinnen zu einer schriftlichen Verweigerung des anstehenden Wehrlagers zu bewegen. Nach Einzelgesprächen mit der Schulleitung und Mitarbeitern der Staatssicherheit bleiben nur Johanna Ebischbach und eine Mitschülerin bei ihrer Verweigerung. Beide werden wegen „Nichterfüllung schulischer Pflichten“ exmatrikuliert.

Danach werden ihre Kontakte zur Friedensbewegung intensiver – unter anderem auch zum Initiator der Kampagne „Schwerter zu Pflugscharen“, Pfarrer Harald Bretschneider. In der Zwischenzeit heiratet Johanna Ebischbach ein anderes Mitglied der Friedensgruppe, Roman Kalex.

Die „Gruppe Ebischbach“, wie sie anfangs von der Stasi genannt wird, steht nicht nur im Konflikt mit dem Staat, sondern auch mit der Kirche. Die Aktivisten werfen den Kirchenleuten deren allzu große Kompromissbereitschaft gegenüber dem SED-Regime vor. Sie organisieren eigenständig Friedenswerkstätten und propagieren radikale pazifistische Positionen, die sich kaum mit der moderaten kirchlichen Friedensarbeit vertragen. Nachdem Bischof Johannes Hempel die Aktivisten um Johanna Kalex als „Wölfe im Schafspelz“ bezeichnet hat, nennt sich die Gruppe fortan Wolfspelz. Laut Johanna Kalex sind sie nämlich eher „Schafe im Wolfspelz“, die gefährlich auftreten, aber eine friedliche Gesellschaft zum Ziel haben.

Eine spektakuläre Aktion der Gruppe um Johanna Kalex ist die Organisation einer Gedenkfeier in Dresden am 13. Februar 1982, dem Jahrestag der Bombardierung der Stadt. In der Stunde des ersten Bombenangriffs von 1945, also kurz vor 22 Uhr, sollen sich die Menschen mit Kerzen und Blumen an der Ruine der Frauenkirche versammeln und „We Shall Overcome“ singen. Mit dieser Aktion wollen die jungen Leute gegen die zunehmende Militarisierung der Gesellschaft protestieren. (Über die Aktivitäten der Gruppe, den Aufruf und die Folgen berichtet Johanna Kalex im Zeitzeugen-Interview.)

Der Schweigemarsch zur Dresdner Frauenkirche

Der Staat ist äußerst beunruhigt. Ohnehin ist die Situation angespannt: Es hat sich eine starke Schwerter-zu-Pflugscharen-Bewegung entwickelt, und landesweit fordern Friedensgruppen die Einführung eines Sozialen Friedensdienstes. Man befürchtet zu Recht, dass viele Menschen dem Aufruf nach Dresden folgen werden. Johanna Kalex wird verhaftet, verhört und körperlich massiv bedroht. Doch ihre Eltern und die Kirche stehen zu ihr und wenden Schlimmeres ab.

Um die Menschen von der Demonstration auf der Straße abzulenken, öffnet die Kirchenleitung am 13. Februar die Dresdner Kreuzkirche zu einem Friedensforum. Doch die Demo wird ein voller Erfolg: Fast 8.000 Menschen aus der ganzen DDR pilgern in dieser Nacht erst ins Friedensforum in der Kreuzkirche und dann zur Dresdner Frauenkirche. Dort stellen sie Kerzen auf und legen Blumen nieder. Selbst die Westpresse ist vor Ort. Der Schweigemarsch ist eine der größten Aktionen der Friedensbewegung in der DDR.

Quelle/Zitierempfehlung: „Dresden und die Gruppe Wolfspelz“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung März 2012, www.jugendopposition.de/index.php?id=637

Blick vom Turm der Kreuzkirche auf die zerstörte Innenstadt Foto: Bundesarchiv

Bis zum 13. Februar 1945 blieb Dresden weitgehend unzerstört. Durch die vier Angriffswellen vom 13. bis 15. Februar 1945 starben 25.000 Menschen, große Teile der Innenstadt und der Infrastruktur Dresdens wurden zerstört.

Die Zestörung der Kulturmetropole wurde einerseits von der Nazi-Propaganda benutzt und als "barbarischer Angriff auf die Zivilbevölkerung" deklariert, was bis heute fortwirkt. Andererseits entstand dadurch eine Haltung in der Bevölkerung, die "Nie wieder Krieg" forderte. Die Ruine der Frauenkirche, die als Mahnmal stehenblieb, wurde dadurch auch ein Symbol für die unabhängige Friedensbewegung in der DDR.

Mehr: http://de.wikipedia.org/wiki/Luftangriffe_auf_Dresden